Mit Ronald Barnabas Schill in der Favela über der Copacabana

Der Mann ist deutschlandweit bekannt geworden als Richter Gnadenlos, Gründer der Partei Rechtstaatlicher Offensive sowie Zweiter Bürgermeister und Innensenator der Stadt Hamburg. Letzteres in einer unsäglichen Koalition mit der CDU und der FDP, die sich beide nicht gescheut haben, mit einer rechten Partei eine Regierung zu bilden, nur um an der Macht zu bleiben. Dann kam der Absturz: Hitler-Herpes, Kokain, Big Brother. Seit 2006 lebt er von seiner Pension als Richter in einer Favela in Rio de Janeiro.

Ich gebe zu, dass ich all dies hauptsächlich erwähne, weil ich in einem Interview aufgeschnappt habe, dass ein reißerischer Titel im Internet darüber entscheidet, wie häufig ein Artikel angeklickt wird. Mit Ronald Schill, den ich persönlich für eine Hanswurst halte, hat der nachfolgende Bericht nur gemeinsam, dass wir für zwei Tage auch in einer Favela oberhalb der Copacabana gewohnt haben, allerdings ca. 3,5 Kilometer Luftlinie entfernt von der Favela, in der Schill residiert.

Favela, das klingt für die meisten erst einmal nach Armut, Drogen und Bandenkriegen. Favelas sind illegal errichtete Stadtviertel, die jedoch zum Teil über eine Infrastruktur wie Wasser- und Abwasseranschlüsse, Strom, Telefon/Internet und Straßen verfügen. Offiziell heißt es, dass die Städteplanung Brasiliens nicht mit dem Wachstum ihrer Städte mithalten konnte. Angesichts der krassen Reichtumsunterschiede in diesem Land kann man das natürlich auch anders sehen: Der reichen Oberschicht ist das Schicksal ihrer minderbemittelten Mitmenschen schlichtweg egal.

Die Favela Babilônia, in der wir untergekommen sind, ist in den steilen Hang hineingebaut. Eine einspurige Straße führt ungefähr bis auf die Hälfte der Höhe. Will man höher hinaus, muss man zu Fuß über schmale Wege und Treppen weitersteigen. Unsere Favela ist eine der ältesten Rios und mittlerweile „befriedet“. Ich habe das Wort in Anführungszeichen gesetzt, weil die Bewohner eine andere Sichtweise auf die Polizeipräsenz haben. Erstens sprechen sie nicht von einer Favela, sondern von einer Comunidade, da sie sich eigene Regeln gegeben haben wie zum Beispiel, dass jemand die Gemeinschaft verlassen muss, wenn er beim Klauen erwischt wird. Zweitens nehmen sie die Anwesenheit der bis unter die Zähne bewaffneten Polizisten als „Militarisierung“ wahr. Zudem wird den Staatsdienern vorgeworfen, korrupt zu sein und Schutzgelder zu erpressen.

Wir waren zu kurz dort, um die Vorwürfe bestätigen zu können. Die Polizisten haben wir eher als freundlich gegenüber uns in Erinnerung behalten, aber wir waren auch deutlich als Touristen erkennbar. Der eigentliche Eindruck war jedoch, dass wir uns sehr sicher fühlten und dass die Comunidade über interessante Bars und Restaurants verfügte, in denen man schnell in den Kontakt mit anderen Menschen kommen konnte. Und der 200 Meter entfernte Strand ist natürlich nicht umsonst weltberühmt.

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