3 Wochen Brasilien

Das Wetter bedeutet für mich die größte Umstellung. Als ich Deutschland verließ, lag die Temperatur in Lammersdorf bei 0 Grad und leichter Schnee zierte die Felder. Mein erster Eindruck am Flughafen in Brasilia war: drückend warm, aber nicht zu heiß. Die Höchsttemperaturen in Brasilia pendeln ganzjährig zwischen 25 und 28, die Tiefsttemperaturen zwischen 13 und 18 Grad. Das klingt erst einmal moderat. Wenn die Sonne jedoch durch die Wolken bricht, ergibt dies gepaart mit der hohen Luftfeuchtigkeit eine drückende Hitze, der man gerne in Richtung Schatten entfliehen möchte.

Folglich stehe ich morgens immer zwischen 7 und 8 Uhr auf, um mit dem Hund spazieren zu gehen. Ab 9 Uhr lösen sich die Wolken auf, und die Sonne brennt schweißtreibend auf einen herab. Spätestens dann sehnt man sich nach Schatten und Abkühlung.

Derzeit befinden wir uns am Ende der Regenzeit. Man vermutet, dass es in der Regenzeit häufig regnet. Stimmt, aber immer nur nachmittags, abends oder nachts. Dann aber wolkenbruchartig. Tagsüber ist es immer heiter bis wolkig, und zumindest ich bin froh über jede Wolke, die die Sonne verdeckt. Das macht den Tag planbar.

Von den hohen Temperaturen profitiert insbesondere des Menschen größter Konkurrent hinsichtlich der Eroberung von Lebensraum: die Insekten und mit ihnen die Spinnen. Sie sind praktisch überall und ihre Größe ist teilweise furchteinflößend. Am nervigsten sind natürlich die Mücken. Zwar stechen sie fast immer nur in Füße und Beine. Wenn man jedoch nicht aufpasst und sich nicht mit Repellent eingecremt hat, kann das schon einmal zu einer Orgie werden, nach der man sich tagelang die Füße kratzt. In der Trockenzeit sollen die Mückenpopulation und die Luftfeuchtigkeit deutlich zurückgehen. Allerdings soll es gegen Ende der Trockenzeit bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 10 Prozent so trocken werden, dass die Lippen rissig werden und man Nasenbluten bekommt. Ich lasse mich überraschen.

Die Menschen in Brasilia sind größtenteils sehr entspannt, wertschätzend und weltoffen. Zumindest in den Kreisen, in denen ich derzeit Kontakt habe. Doch in diesen Kreisen lebt man einen westlichen Lebensstil mit Besitztümern wie Haus und Auto und gilt als reich, denn so ein Lebensstil kostet ungefähr so viel wie in Europa. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in Brasilien von 11.300 Dollar (Deutschland: 45.000 Dollar) deutet hingegen darauf hin, dass das Vermögen sehr ungleich verteilt ist (Quelle: Wikipedia). Tatsächlich liegt der Gini-Koeffizient in Brasilien bei 0,59 (1 = alles Vermögen in einer Hand, 0 = jeder verdient gleich viel; Vergleich Deutschland: 0,28) (Quelle: Wikipedia). Da verwundert es nicht, wenn junge Menschen der ärmeren Schicht die Vermögensumverteilung selbst in die Hand nehmen. Die Mordrate (Morde pro 100.000 Einwohner) liegt in Brasilien bei 25,2 (Deutschland: 0,8) (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung). Die sozialen Gegensätze und die Angst vor Raubüberfällen sind im Alltag deutlich spürbar. Reiche Condominios, die von hohen Zäunen umgegeben sind und von privater Security rund um die Uhr bewacht werden, befinden sich zum Teil in direkter Nachbarschaft zu Armenvierteln. Während man sich innerhalb der Condominio-Mauern Tag und Nacht frei bewegen kann, verhält man sich außerhalb sehr vorsichtig. Man hält sich vorwiegend an stark bevölkerten Orten auf. Nachts ist man in der Stadt so gut wie gar nicht unterwegs.

Die Sprache ist für mich ein großes Hindernis. Zwar sprechen viele Condominio-Bewohner Englisch oder sogar Deutsch, doch außerhalb kommt man mit Englisch kaum weiter. Ich lerne jeden Tag Vokabeln. Allerdings hilft mir das nicht bei der Aussprache. Ein Beispiel: Das portugiesische Wort für Auto heißt „carro“. Deutsch ausgesprochen kann man es sich sehr gut merken. Doch ein doppeltes „r“ innerhalb eines Wortes wird wie ein stimmloses „h“ ausgesprochen und ein „o“ wie ein „u“. Und schon ist die Eselsbrücke mit der „Karre“ futsch: „carro“ wird wie „cahu“ ausgesprochen. Mein derzeitiges Portugiesisch reicht für einfache Konversationen zum Beispiel bei Einkäufen. Ausdrücken kann ich mich noch lange nicht.

Mein Tagesablauf besteht aus Hundespaziergängen, Blog schreiben, Portugiesisch lernen, Formalitäten checken (Steuernummer beantragen, Auto ummelden, Termin bei der Immigrationspolizei etc.) und Einkäufen. Mein Ziel ist es, recht bald firm in der Sprache zu werden. Wenn ich mit meinem derzeitigen Online-Sprachkurs fertig bin, überlege ich, einen Kurs an der Uni in Brasilia zu belegen.

Ich wünsche meinen wohlgesonnen Leserinnen und Lesern ein schönes Wochenende!

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