In der zweiten Nacht mit vorgehaltener Knarre geweckt worden

Als ich mir erschöpft den Standplatz neben einem kleinen, improvisierten Fußballfeld unweit von drei kleinen Häusern, vor denen man mehrere Kinder spielen sehen konnte, aussuchte, dachte ich eigentlich, ich hätte ein ruhiges Plätzchen für die Nacht gefunden. Doch ich hatte mich getäuscht.

Aber der Reihe nach (Schönes retardierendes Element, nicht wahr? Jetzt muss man quasi weiterlesen.). Tagsüber war ich gut vorangekommen. Ich legte in einem Zeitraum von zehn Stunden mit einigen Pausen ungefähr 650 Kilometer Strecke zurück. Dabei bin ich weiterhin nur maximal 85 km/h gefahren. Der Verbrauch liegt bei der zweiten Messung sogar bei nur 10 Litern. In einem Ort namens „Barreiras“ bog ich von der BR-020, die weiter Richtung Osten nach Salvador führte, ab auf die BR-135 Richtung Norden. Der Verkehr wurde schlagartig geringer und die Straßen enger und rumpeliger. Allerdings konnte ich meine mir gesetzte Höchstgeschwindigkeit weiter beibehalten.

Ab 17.00 Uhr suchte ich einen Standplatz für die Nacht, da es ab 18.00 Uhr innerhalb von einer halben Stunde dunkel wird, und dann eine Suche nicht mehr möglich ist. Ich war jedoch in eine Gegend geraten, in der sich eine kleine Ortschaft nach der anderen reihte. Jeder kleine Feldweg führte zu einer kleinen Fazenda. Ich entschied mich dann für diesen improvisierten Fußballplatz und wartete erschöpft die Dunkelheit ab.

Kurz vor Licht aus fuhr ein Wagen mit einer Familie an mir vorbei, parkte in gebührenden Abstand und fuhr dann wieder in der Dunkelheit weg. Sie kümmerten sich offenbar um ein Grundstück, das hinter einem Zaun lag. Ich überlegte, ob ich auf sie zugehen sollte, um zu fragen, ob es ein Problem darstellte, hier zu übernachten. Ich wollte jedoch nicht zu offensiv wirken und entschied mich anders. Nachdem die Familie gegen 18.30 Uhr weggefahren war, aß ich zu Abend und legte mich hin. Es war unglaublich heiß. Doch da es keine Mücken gab, konnte ich alle Fenster offen lassen.

Ungefähr um 23.00 Uhr fuhr dann ein Geländewagen vor und blieb mit aufgeblendetem Fernlicht vor meinem Auto stehen. Ich war sofort wach. Von mehreren lauten Stimmen wurde ich aufgefordert, mein Auto zu verlassen. Ich krabbelte aus dem Wagen und sah undeutlich drei Männer hinter dem grellen Scheinwerferlicht stehen, die ihre Waffen – zwei Pistolen und ein Gewehr – auf mich gerichtet hielten. Doch entgegen meiner ersten Phantasie, dass ich gerade Opfer eines Überfalls werde, vor dem mich alle gewarnt hatten, standen dort drei Soldaten vor mir. Man muss dazu wissen, dass in Brasilien das Militär den Polizeidienst verrichtet. Ein Überbleibsel aus der Militärdiktatur von 1964 bis 1983.

So stand ich also in Unterhose vor den drei Bewaffneten und hob instinktiv meine Hände. Trotzdem brüllten sich mich weiter an. Ich verstand sie nicht richtig und stammelte auf Portugiesisch, dass ich Deutscher sei und ihre Sprache nicht so gut sprechen könne. Da beruhigten sie sich, inspizierten den Wagen von außen und wurden freundlicher. Ich zeigte meine Identitätskarte und meinen Pass vor und erklärte, dass ich auf dem Weg nach Fortaleza sei. Sie sagten, dass ich an diesem Ort nicht übernachten könne, da es viel zu gefährlich sei. Damit hatten sie Recht, da ich noch nie so ernsthaft in meinem Leben mit mehreren Waffen bedroht worden bin. Sie sagten, ich solle an der nächsten Tankstelle übernachten, und warteten, bis ich alles eingepackt hatte. Dabei begutachtete der Anführer der Soldaten nicht ohne leichten Respekt den Innenausbau meines Wagens. Nachdem ich fertig war, fuhren sie bis zu nächsten Tankstelle hinter mir her, um sich zu versichern, dass ich ihren Anordnungen auch Folge leistete.

An der Tankstelle war es laut, dreckig und voller Mücken. Außerdem fühlte ich mich wie auf dem Präsentierteller. Wenn ich Reisende ausrauben wollte, würde ich mein Glück genau hier versuchen und nicht improvisierte Fußballfelder zwei Kilometer abseits von der Straße in einer Sackgasse abklappern. Immerhin standen auch noch ein paar Lastkraftwagen in der Nähe.

Ich schlief schlecht, und wurde wach, als die ersten LKWs um 06.00 Uhr den Platz verließen. Ich konnte mich nicht überwinden, mich auf der total versifften Tankstellentoilette zu entleeren. Unter der Attacke der um mich herum wimmelnden Mücken packte ich schnell zusammen und fuhr los, um einen Platz für die Morgentoilette zu finden.

Gegen 10.00 Uhr hatte ich dann keine Lust mehr auf die Hauptstraße. Egal, wo man in einen Feldweg abbog, gelangte man an eine Fazenda. Ich bog hinter einem Ort namens „Bom Jesus“ (Guter Jesus) auf eine Nebenstrecke ab, welche von meinem Navi sogar als Abkürzung identifiziert wurde. Nach wenigen Kilometern endete der Asphaltausbau und ich rumpelte mit 40 km/h über Staubstraßen. Allerdings wurde ich mit einer herrlichen Bergstrecke belohnt. Das Video dazu reiche ich nach, wenn ich mal wieder ausreichend Bandbreite zur Verfügung habe. Nachdem ich auch von der Nebenstrecke auf einen tiefsandigen, einspurigen Weg abgebogen war, den man nur mit Allrad befahren konnte, fand ich den wohl schönsten potentiellen Standplatz in der ganzen Gegend.

Hier sitze ich nun und genieße den kühlen Wind und die Aussicht. Den Platz merke ich mir für den Rückweg. Für eine Übernachtung ist es heute noch zu früh.

6 Gedanken zu „In der zweiten Nacht mit vorgehaltener Knarre geweckt worden

    • Also, wenn man nachts von der Militärpolizei mit der Uzzi unterm Arm geweckt werden will, reicht es schon, in die Türkei zu fahren. Dort hatten wir mit unserem Wohnmobil ähnliche Erlebnisse. Nur dass man dort Autoreisende gewohnt ist. Für die Brasilianer bin ich ein echter Exot.

  1. Traumhaft….und hier ist in Urlaub fahren sooo langweilig.
    Bei 4,7l pro 100/km mit 120km/h und ohne Mücken und Schiesseisen….langsam werde ich echt neidisch

    • Ich muss ja echt bescheuert sein. Wieso bin ich nicht gleich darauf gekommen, in Holland Urlaub zu machen. Das nächste Mal frage ich erst den Reiseberater Jürgen, bevor ich Urlaub mache.

      • Den ersten Satz lasse ich gerne so stehen. Beim zweiten kommen schon Zweifel. Satz drei macht nur Sinn bei Hotelsuiten, wo Du einen Hund dabei hast.
        Ansonsten weiter schönen Urlaub und Gruß an Loukas!

        • Nix für Ungut, Jürgen. Ich war vorgestern echt durch von der Fahrerei und konnte nicht mit der gewohnten Gelassenheit auf deine nett gemeinten Sticheleien reagieren.

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