Den ganzen Tag geradeaus

Von Aachen nach Berlin sind es 650 Kilometer. Dann hat man Deutschland einmal fast komplett von West nach Ost durchfahren. Ich bin gestern knapp 700 Kilometer in elf Stunden gefahren und bin noch immer nicht am Ziel. Es sind noch etwas unter 300 Kilometer bis zur Küste. Ich bekomme gerade einen Begriff davon, wie riesig dieses Land ist. Ich bin froh, dass ich die Strecke zurück nicht alleine zurücklegen muss.

Gegen Abend suchte ich wie immer kurz vor Sonnenuntergang rechts und links der Straße nach einem Standplatz. Ich war einmal wieder in einer etwas mehr besiedelten Gegend. Überall, wo ich abfuhr, waren Fazendas. Zudem war ich auf unter 100 Höhenmeter angekommen, und es war unglaublich heiß. Die Aussicht auf eine weitere verschwitzte Nacht ließ mich nicht gerade in Jubel ausbrechen. Da sah ich am Horizont eine breite Hügelkette, die offenbar genau meinen Weg kreuzte. Ich gab noch einmal Gas, und tatsächlich: Es ging bergauf. Auf 650 Höhenmetern schlich ich mich auf die Großbaustelle eines Windradparks, die just als ich ankam von den Bauarbeitern verlassen wurde.

Die Nacht war angenehm kühl. Gegen Morgen musste ich sogar die dicke Decke nutzen. Noch vor Sonnenaufgang wurde ich wach und packte zusammen, um nicht von den Arbeitern überrascht zu werden. Als ich starten wollte, war die Batterie platt. Ich ahnte so etwas bereits am Vortag, da ich Schwefel gerochen hatte und die Batterie kochte. Gut, dass der erfahrene Autoreisende immer zwei Batterien dabei hat. Schnell noch die Ladespannung gemessen: 14,5 Volt, auch bei höheren Drehzahlen. Also, der Laderegler ist in Ordnung.

Jetzt bin ich ca. 30 Kilometer vom Meer entfernt. Gerade eben habe ich in einer Stadt namens Granja getankt und eine neue Batterie gekauft. Wenn alles gut geht, liege ich in zwei Stunden am Strand.

100 Kilometer Sand und Lehm

Die Abkürzung entpuppte sich natürlich als Scheinabkürzung. Ich landete auf einer Hochebene, auf der auf circa 500 Höhenmetern industrielle Landwirtschaft betrieben wurde. Die Straße bestand aus Sand und Lehm, teilweise in gutem Zustand. Ich kurvte ungefähr 30 Kilometer auf Sandstraßen herum, bis ich so etwas wie die Hauptstraße entdeckte. Mein Navi zeigte 126 Kilometer bis zur nächsten Abbiegung. „Okay“, sagte ich mir. „Hier ist wenigstens nicht so viel Verkehr.“

Die Straße aus festgefahrenem Lehm und losem Sand, teilweise mit gröberen Steinen gespickt, war mittelgut bis schlecht. Ich konnte zwischen 50 und 70 km/h fahren. Ich überholte eine Reihe von LKWs, die mit gerade einmal 20 bis 30 km/h unterwegs waren. Schnell gerechnet: Bei dieser Geschwindigkeit braucht man vier bis sechs Stunden für eine Strecke von 120 Kilometern. Scheiß Job! Das Ganze erinnerte mich an unsere Fahrt durch Kasachstan, wo wir mit unserem Bus nicht schneller und teilweise langsamer unterwegs waren als die LKWs. Danke, Toyota, für den Fahrkomfort. Ich werde jeden Abend eine Kerze anzünden, um deinen Ingenieuren zu huldigen.

Ich machte etliche Videoaufnahmen, die jedoch nur annähernd die Weite und die Entfernungen wiedergeben können. Die Aufnahmen veröffentliche ich, sobald Bandbreite vorhanden ist.

Die letzten 50 Kilometer der Strecke waren gnädigerweise Asphalt. Diesen Fahrbahnbelag lernt man erst zu schätzen, wenn mehrere Stunden auf losem, holprigen Untergrund unterwegs war.

Nachdem ich das Anbaugebiet verlassen hatte, änderte sich auch wieder die Landschaft. Es wieder ging abwärts auf 250 Höhenmeter, es wurde hügeliger und die Landschaft wurde strauch- und baumreicher. Dann landete ich wieder auf der BR-135, von der ich zuvor abgefahren war. Sie war neu asphaltiert und extrem gut ausgebaut. Ich fuhr noch eine ganze Weile und bemerkte, dass die Siedlungen immer weniger wurden. Die Landschaft war sehr trocken. Ich überquerte einige Flussbette, die vollkommen wasserlos waren. Ein Blick auf den Navi verriet mir, dass ich mich auf etwas mehr als 100 Höhenmetern befand.

Ich suchte mir einen Schlafplatz abseits der Landstraße, indem ich einige Kilometer einer leicht verwilderten Sandstraße folgte. Allradantrieb, ich danke dir! Den Sonnenuntergang betrachtend, wurden mir gewisse Zusammenhänge zwischen Besiedlung und Landwirtschaft klar: Alles, was über 500 Metern Höhe liegt, flach und trocken ist, wird in Brasilien für industrielle Landwirtschaft genutzt. Hier sind kaum Menschen zu finden. Alles, was über 250 Metern liegt, hügelig und damit wasserführend ist, wird von traditionellen Kleinbauern bewirtschaftet. Hier findet man entlang der Straße eine Siedlung nach der anderen. An meinem Schlafplatz auf 100 Höhenmetern ist es sehr flach und trocken. Die Landschaft kann man als Steppe bezeichnen. Hier wird höchstens lockere Viehzucht betrieben.

Die Nacht war sehr ruhig und erholsam. Es kühlte bis zum Morgen tatsächlich auf 25 Grad ab. Gut, dass es fast gar keine Insekten gab. So konnte ich wenigstens alle Fenster offen lassen.

In der zweiten Nacht mit vorgehaltener Knarre geweckt worden

Als ich mir erschöpft den Standplatz neben einem kleinen, improvisierten Fußballfeld unweit von drei kleinen Häusern, vor denen man mehrere Kinder spielen sehen konnte, aussuchte, dachte ich eigentlich, ich hätte ein ruhiges Plätzchen für die Nacht gefunden. Doch ich hatte mich getäuscht.

Aber der Reihe nach (Schönes retardierendes Element, nicht wahr? Jetzt muss man quasi weiterlesen.). Tagsüber war ich gut vorangekommen. Ich legte in einem Zeitraum von zehn Stunden mit einigen Pausen ungefähr 650 Kilometer Strecke zurück. Dabei bin ich weiterhin nur maximal 85 km/h gefahren. Der Verbrauch liegt bei der zweiten Messung sogar bei nur 10 Litern. In einem Ort namens „Barreiras“ bog ich von der BR-020, die weiter Richtung Osten nach Salvador führte, ab auf die BR-135 Richtung Norden. Der Verkehr wurde schlagartig geringer und die Straßen enger und rumpeliger. Allerdings konnte ich meine mir gesetzte Höchstgeschwindigkeit weiter beibehalten.

Ab 17.00 Uhr suchte ich einen Standplatz für die Nacht, da es ab 18.00 Uhr innerhalb von einer halben Stunde dunkel wird, und dann eine Suche nicht mehr möglich ist. Ich war jedoch in eine Gegend geraten, in der sich eine kleine Ortschaft nach der anderen reihte. Jeder kleine Feldweg führte zu einer kleinen Fazenda. Ich entschied mich dann für diesen improvisierten Fußballplatz und wartete erschöpft die Dunkelheit ab.

Kurz vor Licht aus fuhr ein Wagen mit einer Familie an mir vorbei, parkte in gebührenden Abstand und fuhr dann wieder in der Dunkelheit weg. Sie kümmerten sich offenbar um ein Grundstück, das hinter einem Zaun lag. Ich überlegte, ob ich auf sie zugehen sollte, um zu fragen, ob es ein Problem darstellte, hier zu übernachten. Ich wollte jedoch nicht zu offensiv wirken und entschied mich anders. Nachdem die Familie gegen 18.30 Uhr weggefahren war, aß ich zu Abend und legte mich hin. Es war unglaublich heiß. Doch da es keine Mücken gab, konnte ich alle Fenster offen lassen.

Ungefähr um 23.00 Uhr fuhr dann ein Geländewagen vor und blieb mit aufgeblendetem Fernlicht vor meinem Auto stehen. Ich war sofort wach. Von mehreren lauten Stimmen wurde ich aufgefordert, mein Auto zu verlassen. Ich krabbelte aus dem Wagen und sah undeutlich drei Männer hinter dem grellen Scheinwerferlicht stehen, die ihre Waffen – zwei Pistolen und ein Gewehr – auf mich gerichtet hielten. Doch entgegen meiner ersten Phantasie, dass ich gerade Opfer eines Überfalls werde, vor dem mich alle gewarnt hatten, standen dort drei Soldaten vor mir. Man muss dazu wissen, dass in Brasilien das Militär den Polizeidienst verrichtet. Ein Überbleibsel aus der Militärdiktatur von 1964 bis 1983.

So stand ich also in Unterhose vor den drei Bewaffneten und hob instinktiv meine Hände. Trotzdem brüllten sich mich weiter an. Ich verstand sie nicht richtig und stammelte auf Portugiesisch, dass ich Deutscher sei und ihre Sprache nicht so gut sprechen könne. Da beruhigten sie sich, inspizierten den Wagen von außen und wurden freundlicher. Ich zeigte meine Identitätskarte und meinen Pass vor und erklärte, dass ich auf dem Weg nach Fortaleza sei. Sie sagten, dass ich an diesem Ort nicht übernachten könne, da es viel zu gefährlich sei. Damit hatten sie Recht, da ich noch nie so ernsthaft in meinem Leben mit mehreren Waffen bedroht worden bin. Sie sagten, ich solle an der nächsten Tankstelle übernachten, und warteten, bis ich alles eingepackt hatte. Dabei begutachtete der Anführer der Soldaten nicht ohne leichten Respekt den Innenausbau meines Wagens. Nachdem ich fertig war, fuhren sie bis zu nächsten Tankstelle hinter mir her, um sich zu versichern, dass ich ihren Anordnungen auch Folge leistete.

An der Tankstelle war es laut, dreckig und voller Mücken. Außerdem fühlte ich mich wie auf dem Präsentierteller. Wenn ich Reisende ausrauben wollte, würde ich mein Glück genau hier versuchen und nicht improvisierte Fußballfelder zwei Kilometer abseits von der Straße in einer Sackgasse abklappern. Immerhin standen auch noch ein paar Lastkraftwagen in der Nähe.

Ich schlief schlecht, und wurde wach, als die ersten LKWs um 06.00 Uhr den Platz verließen. Ich konnte mich nicht überwinden, mich auf der total versifften Tankstellentoilette zu entleeren. Unter der Attacke der um mich herum wimmelnden Mücken packte ich schnell zusammen und fuhr los, um einen Platz für die Morgentoilette zu finden.

Gegen 10.00 Uhr hatte ich dann keine Lust mehr auf die Hauptstraße. Egal, wo man in einen Feldweg abbog, gelangte man an eine Fazenda. Ich bog hinter einem Ort namens „Bom Jesus“ (Guter Jesus) auf eine Nebenstrecke ab, welche von meinem Navi sogar als Abkürzung identifiziert wurde. Nach wenigen Kilometern endete der Asphaltausbau und ich rumpelte mit 40 km/h über Staubstraßen. Allerdings wurde ich mit einer herrlichen Bergstrecke belohnt. Das Video dazu reiche ich nach, wenn ich mal wieder ausreichend Bandbreite zur Verfügung habe. Nachdem ich auch von der Nebenstrecke auf einen tiefsandigen, einspurigen Weg abgebogen war, den man nur mit Allrad befahren konnte, fand ich den wohl schönsten potentiellen Standplatz in der ganzen Gegend.

Hier sitze ich nun und genieße den kühlen Wind und die Aussicht. Den Platz merke ich mir für den Rückweg. Für eine Übernachtung ist es heute noch zu früh.

Erster Tag auf der Straße

Mein erster Tag auf der Straße. Ich bin um 11 Uhr losgekommen und bis 17 Uhr gefahren. In dieser Zeit bin ich 450 Kilometer weit gekommen. Gar nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass ich maximal 85 km/h gefahren bin. Bei dieser Geschwindigkeit tuckert der Diesel mit 2.600 Umdrehungen so vor sich hin. Die Schleicherei hat mehrere Vorteile: Ich verbrauche gerade einmal 11 Liter trotz der Dachzeltes. Das Fahren ist relativ stressfrei, und ich halte mich annähernd an die maximale Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Damit bin ich bis auf diejenigen, die nicht schneller können, der einzige.

Im Vergleich zu unserem alten Bus ist der Fahrkomfort um ein Vielfaches höher. Es ist leise im Auto. Man kann Musik und Hörbücher hören. Die Klimaanlage sorgt für eine angenehme Temperatur. Am Berg und beim Überholen ist ausreichend Motorleistung verfügbar.

Ich fahre endlose gerade Strecken entlang der BR-20, einer der Hauptverkehrsadern des Landes. Wenn man einmal 400 Kilometer am Stück geradeaus gefahren ist, dann weiß man, was Eintönigkeit ist. Der Verkehr ist erstaunlich gering und die Straßen erstaunlich gut. Auf dem ersten Teil der Strecke erinnerte die Landschaft an die Chapada dos Veadeiros: tiefe Täler und erodierte Hügelketten. An manchen Stellen ging es bis auf 400 Höhenmeter hinunter. Als ich mittags Pause machen wollte, wollte der Hund gar nicht aus dem Auto, weil der Temperaturunterschied zwischen Auto und Umwelt 20 Grad betrug.

Gegen Abend ging es dann wieder auf 900 Höhenmeter hoch. Die Landschaft änderte sich vollkommen zu einer Hochebene, die nach 250 Kilometer Fahrt noch immer kein Ende gefunden hat. Landwirtschaftliche Großbetriebe und endlose Anbauflächen, soweit das Auge reicht. Ich fuhr von der Straße ab auf einen Sandweg. Nach ein paar Kilometer bog ich auf einen Feldweg ab und legte noch einmal mehrere Kilometer zurück. Als ich den Wagen abstellte, war ich überwältigt von der Weite und der Stille, die mich an die Steppe in Kasachstan erinnerte. Mit einem Mal wusste ich wieder, warum ich reiste. Der Eindruck der Steppe ist unvergleichbar mit allem, was man in Westeuropa erfahren kann.

Auf den ersten Blick erschien mein Übernachtungsort vollkommen ausgestorben. Nach kurzer Zeit kamen dann jedoch kleine Fliegen und Mücken, die sich jedoch mit einer Anti-Mücken-Kerze vertreiben ließen. Am Wegesrand erschienen einige Käuzchen, die tagsüber in Erdlöchern leben und nachts Motten jagen. Ich war so überwältigt von dem Szenario, dass ich mehrere Stunden auf der ausgeklappten Heckablage saß und die vom Halbmond erhellte Gegend genoss. Belohnt wurde meine Geduld mit dem Vorbeifliegen einer großen Eule im Abstand von gerade einmal fünf Metern.

Am nächsten Tag war es nach Sonnenaufgang leider mit der Idylle vorbei. Ich wurde von Fliegen belagert und musste zügig das Feld räumen. Auf dem Rückweg zu Straße kreuzte ein Steppenwolf die Fahrbahn. Nun stehe ich in einem kleinen Waldstück im Schatten und gönne dem Hund und mir eine kleine Pause.

Pause im Wald

Am Montag fährt der Montag für zwei Monate in den Urlaub

Das Auto steht in den Startlöchern:

Am Montag geht’s es Richtung Nordosten los. Eine Woche später kommen Sylvia aus Brasília sowie Beatrix und Andreas aus Deutschland nach Fortaleza nach.

Dachzelt

Katastrophentourismus

Heute bin ich zu der Stelle gelaufen, an der es gestern gebrannt hat. Ich war nicht allein unterwegs. Mountainbiker, Motocrossfahrer und ein Sportflugzeug kreisten um die Überreste des Brandes.

Die Häuser des Condomínios haben noch einmal Glück gehabt. Die Feuerwehr konnte sie in der Nacht vor dem Feuer beschützen. Auf den Fotos kann man ganz gut erkennen, wie die Wege im Cerrado wie Feuerschneisen wirken. Auch gut zu erkennen ist, dass fast nur das Gras gebrannt hat. Sträucher und Bäume sind fast vollkommen verschont geblieben.

Nach ein paar Tagen Regen…

… kam die Trockenheit zurück, und mit ihr das Feuer.

Der Berg brennt

Während ich hier sitze und schreibe, ist die Feuerwehr noch im Großeinsatz, denn auf dem Hügel liegt ein Condomínio.

Der erste Regen

Kaum hat man sich an die Trockenheit gewöhnt, kommt der erste Regen. Regen kann so schön sein.

Und am Straßenrand… Ein kleines Feuerchen

Stell dir vor, es brennt, und niemanden interessiert es. Durch die Trockenheit reichen oft eine aus dem Auto geschnippte Kippe und ein wenig Wind aus, um die Vegetation am Wegesrand zu entfachen. Die Reaktion der Einheimischen ist erstaunlich gelassen. Man ignoriert das Feuer einfach. Noch nicht einmal die Feuerwehr zeigt Interesse. Man wartet einfach höflich, bis es fertig gebrannt hat.

Die Feriensaison ist eröffnet

Brasília liegt im Herzen Brasiliens. Reisende erwarten hier Sehenswürdigkeiten wie eine geschlossene Kirche, Militärparaden und Churrascarias (Grillrestaurants), die sich „Das fette Schwein“ nennen.

Wunderschön auch der Rundgang auf dem Fernsehturm…

… inklusive Sonnenuntergang und Posen:

Am letzten Abend gab es für Janine, Timo, Maria und Büni Forró, ein Paartanz, der schwieriger ist, als er aussieht.

Schön, dass ihr da wart!

Alle mal lächeln